Die Wahrheit über Izzie Stark

Ich habe mich dazu entschieden, euch die Wahrheit zu sagen. Es geht einfach nicht mehr. Ich kann euch nicht länger anlügen. Das habt ihr nicht verdient und deshalb werde ich euch heute ehrlich sagen, wie es wirklich ist.

Ich heiße gar nicht Izzie Stark! … Puh, jetzt ist es raus. 

Aber ich mag Izzie. Sie ist mir eng verbunden, mein Schutzschild. Durch sie kann ich ehrlich sein. Ich habe in den letzten Monaten einiges von mir preisgegeben. Dadurch habe ich das Erlebte etwas verarbeitet. Gleichzeitig habe ich alles aufgeschrieben, um anderen Mut zu machen, die diesen Weg auch gehen müssen. Und das war viel einfacher mit Izzie.

Jetzt umgeben mich wieder mehr Menschen, die meine Geschichte nicht so gut kennen wie ihr, die hier regelmäßig lesen und beim nächsten Wiedersehen, Dinge aus meinen Beiträgen wissen, die ich schon wieder vergessen habe. Bei den Nicht-Lesern fällt es mir schwer, zu sagen: „Ich hatte Krebs. Lymphdrüsenkrebs.“ Ich habe quasi meinen Schutzmantel nicht an.

Izzie Stark ist nicht nur ein Pseudonym, sondern ein Teil meiner Geschichte, meines Lebens. Ich will jetzt nicht irgendwie andeuten, dass ich schizophren bin. Aber sie steht einfach für eine Zeit und sie heißt eben Izzie STARK. Nicht umsonst habe ich sie so genannt. Stark wollte ich sein und nach der Diagnose die Therapie einfach durchhalten. Und dieser Name ist Programm geworden. Immer wieder kam etwas Stärke zum Vorschein, die mich getragen hat. Heute müsste ich eigentlich Izzie Stärker draus machen, denn ich würde schon sagen, dass ich Kraft dazugewonnen habe, aber ich habe auch eine Menge gelassen. Also doch nur Stark.

Des Öfteren habe ich überlegt, meine wahre Identität hier preiszugeben und immer wieder habe ich mich dagegen entschieden, weil ich selbst entscheiden wollte, wer davon weiß, wer Izzie Stark wirklich ist. Aber neben diesem Grund spielt etwas anderes eine große Rolle, was mir erst in den letzten Tagen bewusst geworden ist. Würde ich hier mit meinem „echten Ich“ schreiben, hätte ich nicht so schreiben können, wie ich es getan habe. Denn eigentlich war ich nie ein großer Schreiberling. Schon meine Deutschlehrerin sagte mir direkt ins Gesicht, dass ich nicht schreiben könne und es auch nicht lernen werde. Durch meine Rolle Izzie ist es mir gelungen, zu vergessen, dass ich nicht schreiben kann und ich habe einfach loselegt. Ich musste keine Angst davor haben, dass andere wüssten, wer ich bin und ich es hinterher vielleicht bereuen würde, so ehrlich gewesen zu sein. Ich bewundere alle anderen Blogger, die auch über ihren Krebs schreiben und ihr wahres Gesicht und ihren echten Namen zeigen. Dazu gehört viel Mut. Für mich ist das zu persönlich. Und deshalb bleibe ich dabei.

Ich hoffe, ihr seid mir nicht böse und könnt mich verstehen. Mir ist aufgefallen, dass es nicht leicht ist, anonym unterwegs zu sein. Denn Menschen möchten wissen, wen sie da vor sich haben. Das macht es greifbarer und glaubwürdiger. Das büße ich mit Izzie ein, aber ich hoffe trotzdem, dass ich diejenigen erreiche, den ich helfen will. Die ebenfalls Betroffenen und Kämpfer. Bleibt mir erhalten, auch wenn ich euch nicht mein wahres Gesicht zeige. Ich bin authentisch und alles, was ich hier schreibe, ist wahr und ich habe es genau so erlebt.

Es bleibt also dabei:
Eure Izzie

Auf der Suche nach Empathie

Neulich hatte ich Sitzung 5 von 25 bei meiner Noch-Psychotherapeutin. Es war wieder mal eine direkte Fahrt ins tiefere Tal, warum auch so lange auf dem Berg abhängen, wenn es so warm draußen ist. Im Tal ist es angenehm kühl … und dunkel.

So ergab sich also aus meiner Lieblingseinstiegsfrage – „Wie ist es Ihnen ergangen, Frau Stark?“ -, dass ich von meinem Wiedereinstieg berichtete. Ich erzählte, dass ich bereits bei 5 Stunden pro Tag angelangt sei und mich besser fühlen würde als in der ersten Woche. Völlig egal, dass ich keine andere Wahl hatte, als die Wiedereingliederung innerhalb von 4 Wochen durchzuziehen, packte sie sofort ihr Hamburger-Modell-Wissen aus. Sie hätte noch nie erlebt, dass innerhalb eines Monats auf die volle Arbeitszeit zurückgekehrt würde. Keiner ihrer Patienten hätte das je so gemacht. Dann folgten noch drei Beispiele von Patienten, von denen ich weder wusste, wer sie waren, was sie hatten oder wo sie arbeiteten. So wahnsinnig hilfreiche Anonymbeispiele. Schlussendlich stellte sie fest, dass diese Wiedereingliederung mich direkt ins Burnout befördern würde.

Ich bedankte mich für die Demotivation, sie versuchte kurz zurückzurudern, weil sie doch die Unangemessenheit leicht bemerkte. Der Versuch scheiterte.

Themenwechsel: Ich erzählte also weiter, dass ich nicht so müde wäre, wenn ich nach der Arbeit etwas unternehmen würde. Was sagt Frau Schlau-Schlau?!? Ich sollte in jedem Fall Pausen einplanen und mich am besten für eine halbe Stunde hinlegen. Mal abgesehen davon, dass ich während meiner ganzen Krankheit nur selten am Tage geschlafen habe, ist mir nicht bewusst, wo ich dieses Schläfchen einbauen soll. Aber auch da sei klar, dass ich mich übernehmen würde und dass das nicht gut gehen könne. Da auch dieser Aspekt die Stimmung kippen ließ, zurück zum alten Thema.

Wie gesagt, das hätte sie ja noch nie gehört, dass man innerhalb von 4 Wochen wiedereingegliedert würde. Nun ist es ja nicht so, dass ich das total ambitioniert selbst so vorgeschlagen hätte, sondern mir viel mehr aufgezwungen wurde. Aber nein, Frau Schlau-Schlau erklärte mir, dass es eben auch nicht so gut sei, wenn man bei der Reha rumspringen würde, als wenn man total fit wäre. Dann würde man natürlich in eine Schublade einsortiert, die zum schnellsten Wiedereingliederungsmodell ever führen würde.

Oft erwähnt, bin ich niemand, der Lust darauf hat, sich belehren zu lassen. Auf dem Weg nach Hause fühlte ich mich sofort schlecht, überlegte, wie ich den Plan doch noch verlängern könnte. Hagbard half mir mal wieder aus dem Tal heraus und wir fuhren mit der Seilbahn zurück auf den Berg. Doch eins habe ich nun begriffen. Ich brauche einen anderen Therapeuten. Aber ich scheue den Aufwand und merke, wie sehr mich das erneut schwächt. Gestern habe ich also 15 Telefonnummern gewählt und mit keiner echten Stimme gesprochen.

Fortsetzung folgt…

Euer Therapeuten-Schreck Izzie

[1] Das Beitragsbild „Breaking the waves“ ist ein Foto von Christian Kadluba, Lizenz: CC BY-SA (das Bild wurde beschnitten)

Davon, wie ich nichts auf Eis legte

Eine Leserin des Blogs schrieb mir letztens eine Email und machte mich auf ein Thema aufmerksam, das hier tatsächlich etwas zu kurz gekommen ist. Vielleicht weil alles etwas anders gelaufen ist, als zu Beginn gedacht und erwartet.

Vor langer Zeit einmal schrieb ich über die furchtbare Fertilitätsberatung, die ich kurz vor meiner Chemotherapie machte. In einem Kinderwunschzentrum riet man mir zu dem teuren Verfahren des Medical Freezing – das Einfrieren von Eizellen als eine Art Fruchtbarkeitsversicherung aus medizinischen Gründen. Es gibt die Möglichkeit, Eizellen befruchtet oder unbefruchtet einfrieren zu lassen, wobei die befruchteten Eizellen eine bessere Überlebenschance haben, weil sie einfach stabiler sind als unbefruchtete. Dafür wird die Eizellproduktion künstlich mit Hormonspritzen angeregt, damit so viele Eizellen wie möglich entstehen, die dann eingefroren werden können. Eine dieser Hormonspritzen sollte um die 1000 Euro kosten. Dann kommen noch Kosten für die Behandlungen und das Lagern der Eizellen hinzu. Das waren bei befruchteten Eizellen so um die 4000 Euro, wenn meine verschleierte Erinnerung mich nicht täuscht – aufgeschrieben habe ich mir ungewöhnlicherweise nichts. Nun ist das ja keine Garantie, so ein eingefrorenes Ei. Bei jedem Versuch, schwanger werden zu wollen, könnten später maximal 3 Zellen eingesetzt werden. Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, läge danach bei 25 %. Insofern sollte man einiges an Eiern in den Kühlschrank legen. Hieße, dass man vor der Chemotherapie mehrere Zyklen abwarten hätte müssen. Vielleicht 2 oder 3. Wer hat im Fall von Morbus Hodgkin schon die Zeit, 3 Monate Eizellen zu produzieren?

Ich hatte sie nicht. Die Ärzte rieten mir dringend davon ab, so lange zu warten, um mit der Chemotherapie anzufangen. Wer weiß schon, wie sich das Stadium innerhalb der drei Monate verändert? Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich auch überhaupt keine Ruhe hatte, um mich auf Hormonspritzen und Co einzulassen. Ich wollte einfach nur loslegen, den Kampf antreten und den Krebs loswerden. Damals dachte ich, dann adoptiere ich halt. Dass das natürlich nicht so einfach ist, ist mir in dieser Situation nicht in den Sinn gekommen. Die Angst hatte einfach so viel Platz in mir eingenommen, dass ich nicht mehr so richtig klar denken konnte.

Eine zweite Möglichkeit, die bei dieser Beratung noch erwähnt wurde, war das Einfrieren von Eierstockgewebe. Ein kleiner operativer Eingriff, bei dem gesundes Gewebe mit Eizellen entnommen wird, ebenfalls schockgefroren wird und irgendwann wieder rückverpflanzt werden könne. Das geht ohne Hormonstimulation. Allerdings handelt es sich dabei um ein relativ neues Verfahren. Weltweit wurden laut FAZ [1] erst etwas mehr als 40 Kinder auf diesem Wege geboren. Über diese Variante habe ich ehrlich gesagt, nicht wirklich nachgedacht. Zu neu war mir der Ansatz und – wie bereits erwähnt – zu wirr meine Gedanken. Also auch hier kein Versicherungsabschluss.

Variante 3, die mir noch zu Ohren kam, wurde meine Versicherung: Ich erhielt ein Medikament, das vorübergehend die Ausschüttung der Hormone LH und FSH durch die Hirnanhangsdrüse verhindern, welche normalerweise die Eizellreifung und Hormonproduktion in den Eierstöcken anregen.[2] Per Depotspritze wurde ich in die künstliche Menopause versetzt, mit allem drum und dran. Seit Anfang März ist die Menopause wieder vorüber. Die Eierstöcke scheinen ihre Aktivität wieder aufgenommen zu haben. Darüber bin ich froh und ich gehe davon aus, dass alles soweit in Butter ist.

Kritische Stimmen sagen, dass das ja noch nicht heißt, dass ich irgendwann mal schwanger werden könnte. Das ist sicher richtig. Aber wer will dann wissen, ob das an der Chemo lag oder schon vorher nicht ging. Es gibt so viele Fälle, die auch ohne Chemo nicht schwanger werden können. Es ist einfach ein sehr großes Glück, wenn zwei Menschen aufeinander treffen, die zusammen ein Kind zeugen können, auch wenn es durch die zahlreichen Schwangerschaften und Kinder um einen herum nicht so wirkt.

Im Nachhinein muss ich sagen, hatte ich einfach Glück, dass das so gut funktioniert hat. Aber ich weiß, dass das eins der schwersten Themen für mich war. Darüber reden zu müssen, wie man eventuell, später ein Kind zeugen könnte, Chancen auszurechnen und sich einfach im schlimmsten Moment seines Lebens über Familienplanung Gedanken machen zu müssen, kommt einem wie eine sehr große Strafe vor.

Eure Izzie

[1] Artikel „Des Lebens eisige Reserve“, unter: http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/fortpflanzungsmedizin-des-lebens-eisige-reserve-14228040.html
[2] Für alle diejenigen, die noch vor der Therapie stehen und sich beraten lassen wollen, kann ich euch nur raten, geht nicht in eins dieser klassischen Kinderwunschzentren. FertiPROTEKT ist darauf spezialisiert, euch in diesem besonderen Fall zu unterstützen. Hier findet ihr die Ansprechpartner. Hier findet ihr die Website von FertiPROTEKT: http://fertiprotekt.com/gnrh-
[3] Das Beitragsbild „Kühlschrank“ ist ein Foto von Christian Dembowski, Lizenz: CC BY-NC-ND (das Bild wurde beschnitten)

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Heute ist World Blood Cancer Day

Heute ist Weltblutkrebstag. Mit dem Wort Blutkrebs verbindet man vor allem Leukämie. Aber auch Lymphdrüsenkrebs gehört zur Gruppe der Blutkrebse. Beide Arten sind bösartige Erkrankungen des Knochenmarks, also des Blut bildenden Systems.

Vor allem bei Leukämie, aber auch in einigen Fällen von Lymphdrüsenkrebs ist eine Stammzellspende erforderlich, um die Erkrankung besiegen zu können. Dafür braucht man einen genetischen Zwilling, der einem gesunde Stammzellen abgibt. Dieser Zwilling kann überall sein und nicht immer ist er in der eigenen Familie zu finden. Deshalb gibt es die DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei.

Jeder gesunde Mensch zwischen 17 und 55 Jahren kann sich in die Spenderdatei aufnehmen lassen und vielleicht tatsächlich einem Menschen das Leben retten, wenn er der genetische Zwilling eines erkrankten Menschen ist.

Ich habe Menschen getroffen, die eine Stammzellspende erhalten haben und ich bin so unwahrscheinlich froh, dass es diese Datei gibt. Leider kann ich selbst nicht mehr helfen, weil ich mit meiner Erkrankung nicht in Frage komme, irgendwann nochmal spenden zu können. Das macht mich sehr traurig. Was ich jedoch tun kann, ist darauf aufmerksam zu machen, dass viele Menschen händeringend nach einem passenden Spender suchen und hier einen dicken LINK zu setzen, wo ihr euch direkt registrieren könnt, wenn ihr es noch nicht getan habt. Es ist so einfach. Daten eintragen, dann bekommt ihr ein Wattestäbchen zugeschickt und damit macht ihr einen Abstrich von eurer Mundschleimhaut und schickt es zurück. Fertig ist die Registrierung.

Wer von euch ist denn schon registriert? Hat vielleicht jemand von euch schon mal fast gepasst und wurde kontaktiert von der DKMS? Was hält euch davon ab, euch registrieren zu lassen? Lasst uns diskutieren und Fragen klären. Einfach hier in den Kommentaren.

Eure Izzie

Blumen zum Wiedereinstieg

Nach Home kommt Office

Unglaublich fast 11 Monate nach meinem letzten Arbeitstag bin ich wieder da. Seit gestern arbeite ich wieder. Also das heißt, ich versuche es. 4 Stunden pro Tag reichen auch erstmal. Gestern war ich hinterher einfach zu platt, um noch einen Beitrag zu schreiben. Heute habe ich einen Mittagschlaf gemacht, sodass ich nun wieder etwas wacher bin und euch berichten kann.

Ich muss zugeben, dass ich wirklich sehr aufgeregt war, aber das war mal sowas von unnötig. Alle Kollegen waren sehr nett und haben kein Wort darüber verloren, was ich hatte oder so. Was habe ich mir alles ausgemalt. Auf so viele Fragen hatte ich mich versucht innerlich vorzubereiten. Und wozu? Habe ich alles nicht gebraucht.

Gestern wurde ich wie ein neuer Mitarbeiter rumgeführt und mir wurden alle wirklich neuen Kollegen vorgestellt. Da ist mir wieder bewusst geworden, dass sich mein Gehirn noch nicht wieder in seiner alten Form befindet. Die Namen sind beim Sagen direkt wieder aus dem Kopf hinten herausgefallen – wie bei Kelly Bundy von „Eine schrecklich nette Familie“.

Schön ist, dass nicht nur ich mich verändert habe, sondern auch so einige andere Dinge: Neben den neuen Kollegen habe ich ein neues Büro und neue Chefs. Trotzdem habe ich irgendwie das Gefühl, ich wäre nie weg gewesen, also maximal zwei oder drei Wochen. Komisch.

Ich ziehe diese Woche also streng meine 4 Stunden durch, nächste Woche geht es schon weiter mit 5 pro Tag. Ich werde wahrscheinlich eine ganze Weile brauchen, um mich wieder an den Büroalltag zu gewöhnen. Aber ich freue mich auf die Themen und deshalb wird das schon klappen.

Johann Wolfgang von Goethe schrieb wohl mal in einem Brief an einen Freund: „Ich bin gesund und kann arbeiten. Was verlang‘ ich mehr.“ 

In diesem Sinne: eure motivierte Izzie

Besuch klopft an Türen

Wenn unangemeldet Besuch kommt

Man hat sich eigentlich etwas ganz anderes vorgenommen und dann kommt sie genau an diesem Tag vorbei, wo es gar nicht passt. Klingelt an der Tür. Man versucht unauffällig durch den Spion zu sehen und bekommt einen halben Herzinfarkt, weil es auf einmal eindringlich klopft. Also öffnet man die Tür und sie sagt: „Hallo, hier bin ich.“ Und sie bleibt auf unbestimmte Zeit. Aber mindestens so lange, dass man durch ihre bloße Anwesenheit fast durchdreht. Der ungebetene Besuch heißt Angst – vor dem Rückfall -, die Rezidivangst. Letzten Donnerstag, meine ich, stand sie vor meiner Tür und blieb bis heute. Ich habe sie rausgeschmissen, aber es war ein längerer Prozess. 

Es fing an mit leichten Infektanzeichen und einem Ziehen im Hals. Ich wurde unsicher, tastete mich selbst nach geschwollenen Lymphknoten ab. Da ist doch was. Nein, da ist nichts. Mach dich nicht verrückt. Okay. Haken dran. Am nächsten Tag: Ist da was? Nein, wieso sollte da was sein. Das Ziehen im Hals nahm wieder ab und ich schob es auf mein etwas anstrengendes Workout und tat es als Muskelkater ab. 

Mit viel Beschäftigung vergaß ich meine Sorgen, aber in einigen Momenten war die Angst plötzlich wieder da. Ich wünschte mir die Zufriedenheit aus der letzten Woche zurück. Die innerliche Freude darüber, es geschafft zu haben und gesund zu sein. 

Ich kämpfte innerlich, doch ein Woche später konnte ich selbst der Lage nicht mehr Frau werden. Ich rief im Krankenhaus an und vereinbarte einen Termin für den nächsten Tag, heute. 

Schon beim Betreten des Sprechzimmers entschuldigte ich mich für mein Kommen und sagte, dass es mir peinlich wäre, ich es allein aber nicht schaffen würde. Da war sie wieder: die Schwäche. Die Angst macht einen schwach und sehr verletzlich. 

Die Ärztin mit dem gleichen Vornamen wie meine Mama zeigte sich verwundert über das Blutbild, das doch nicht ganz so wie erwartet war. Die Leukozyten und Thrombozyten waren doch recht niedrig. Sie schob es auf einen Messfehler und ordnete ein weiteres ausführliches Blutbild an. Sie schickte mich nach Hause und wollte mir bis zum Feierabend um 17:00 Uhr eine Email schreiben, wie es aussieht und was wir machen. Ich fuhr nach Hause mit noch mehr Angst im Kofferraum.

Wie ihr an der Uhrzeit meines Beitrags sehen könnt, meldete sie sich früher und gab Entwarnung. Tatsächlich ein Messfehler. Und so fiel mir mal wieder ein riesengroßer Stein vom Herzen. Allerdings ist mein Schilddrüsenwert wohl nicht ganz so wie er sein sollte und genau daher könnte meine seelische Verfassung momentan auch stammen. Aha! Ich bin also doch nicht so verrückt geworden, wie ich dachte.

So, jetzt ist Ruhe im Karton.

Eure Izzie

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus

Izzie trifft starke Menschen: Sina

Ich hatte euch von meiner Idee erzählt, eine kleine Interviewreihe mit anderen Menschen zu machen, die ebenfalls Bekanntschaft mit Mister Hodgkin gemacht haben. Es hat genau 2 Monate gedauert bis ich meinen zweiten Gast heute hier begrüßen durfte. Sina und ich haben uns in der Reha kennengelernt und waren uns gleich sympathisch. Hier erzählt sie nun ihre ganz persönliche Geschichte.

Hallo Sina, ich freue mich sehr, dich auf meinem Blog begrüßen zu dürfen. Möchtest du dich kurz vorstellen?

Hi Izzie, klar. Ich bin Sina, 28 und komme aus dem wunderschönen und heute sehr sonnigen Ruhrgebiet.

Gleich zu Anfang, die wichtigste Frage: Wie geht es dir?

Puh, da ist sie. Die Frage, auf die es mir momentan wirklich schwer fällt, zu antworten. Ich möchte gerne sagen können: „Gut, gut, alles wieder in bester Ordnung.“ Und das wäre auch die Antwort, mit der die meisten meiner Gegenüber wohl am zufriedensten wären. Aber das ist nicht der Fall. Und da ich weder lügen möchte, noch meinen Gegenüber schocken oder gar überfordern, antworte ich zur Zeit mit einem „Joa, es geht.“ und begleitet wird das Ganze von einer merkwürdigen Mischung aus wohlwollendem Nicken und einem kleinen Schulterzucken.

Wenn sich die Frage auf den jetzigen Moment bezieht, ist die Antwort ganz leicht: Ich hab Schiss! Morgen ist die erste große Nachsorgeuntersuchung.

Das ist verständlich, dass das Angst in dir auslöst. Ich möchte versuchen, dich mit meinen Fragen etwas abzulenken. Was hast Du denn gemacht, bevor Du krank geworden bist?

Ich war und bin immer noch Studentin eines Bachelor-Studienganges, der BWL und Anglistik miteinander kombiniert. Nebenbei habe ich in einem Callcenter gejobbt. In erster Linie war ich also damit beschäftigt, das Studium irgendwie zu beenden und mich gleichzeitig seelisch auf das Berufsleben vorzubereiten.

In dieser spannenden Lebensphase hat es dich also erwischt. Wie ist dir aufgefallen, dass irgendwas nicht stimmt?

Bei dieser Frage muss ich etwas ausholen.

Geschwollene Lymphknoten gehören zu mir, solange ich denken kann. Zum ersten Mal im Alter von fünf Jahren in der Leiste. Nach dem ersten Ärztemarathon meines Lebens wurden diese schließlich entfernt, der Befund war zum Glück unauffällig oder in Ärztesprache „unspezifisch“.

Als ich etwa acht Jahre alt war, schwollen dann Lymphknoten an meiner rechten Halsseite an. Aufgrund der Vorgeschichte wurde ich nicht erneut operiert, laut der Ärzte sollte sich das verwachsen. „Damit geht die nicht in die Pubertät“, ist so ein Satz, der sich bei mir eingebrannt hat. Also habe ich erstmal damit gelebt und meine Lymphies (liebevolle Beschreibung der Lymphknoten durch meine Mama) waren mal mehr und mal weniger dick und wurden immer regelmäßig durch Ultraschalluntersuchungen kontrolliert.

Irgendwann war ich dann 20 und die Dinger waren immer noch da. Und irgendwie, so war mein subjektiver Eindruck, wurden die immer größer. Also hin zum HNO und sich angucken lassen, als müsste man schon längst tot umgefallen sein. Vielleicht hier eine kurze Erklärung oder Neudeutsch Disclaimer: Da waren nicht, 1 oder 2 Lymphknoten leicht vergrößert, nee das war ein sehr großes Paket aus sehr vielen Lymphknoten von bis zu 3 cm Durchmesser. Klare Sache also: Sofort alles rausnehmen. Es folgte erneut ein unauffälliger Befund, zum Glück.

Ungefähr 1 ½ Jahre später fing es wieder an zu wuchern, wieder am Hals, wieder rechts. Puh, langsam wurde es echt lästig. Im Bonner Uniklinikum hat man dann beschlossen, dem ganzen mal auf den Grund zu gehen und rauszufinden, weshalb die denn nun immer so dick werden. Es folgte also ein weiterer Ärztemarathon mit dem Ergebnis, dass sie doch nochmal einen Lymphknoten rausnehmen müssen, um etwas Bösartiges auszuschließen. Also OP Nr. 3. Diesmal bekam ich nach einer Woche die Nachricht, die Pathologie sei sich nicht sicher, das Ganze ginge jetzt nach Frankfurt in ein Referenzlabor. Da ging mir zum ersten Mal so richtig die Düse. Aber auch dieses Mal gab es keinen Malignitätsnachweis (nicht bösartig). Ich wurde allerdings mit einer Diagnose entlassen: Lymphknotensarkoidose. Sarkiowas?? Ja genau richtig, das hab ich auch gedacht!

Echt Wahnsinn, dann waren deine Lymphknoten ja die ganze Zeit unauffällig. Wann ist denn das dann gekippt? Wann hast du erfahren, dass du Morbus Hodgkin hast und wie kam es nach den vielen Jahren dann doch noch zu der Diagnose?

Nachdem ich ein paar Jahre mit der Diagnose vor mich hin gelebt und die dicken Lymphknoten am Hals weitesgehend akzeptiert hatte, bekam ich im Herbst 2014 massive Probleme mit der Halswirbelsäule. Scheinbar hatte ich durch die Lymphies eine Fehlhaltung eingenommen, was sich besonders in Klausurphasen bemerkbar machte. Außerdem fand ich, dass die Schwellung wieder deutlich mehr geworden war, jedenfalls wurde ich permanent gefragt, ob ich mir die Weißheitszähne hätte ziehen lassen. Nein! Hab ich nicht! Grrr! Das war mir immer sehr unangenehm.

Zusammen mit meiner Mama hab ich dann den Plan gefasst, nach dem Studium – denn da hat man für sowas ja Zeit – einen erneuten Ärztemarathon zu starten, denn die bisher gestellte Diagnose war für mich zum einen total unbefriedigend und zum anderen zeigte ich keinerlei andere typische Symptome.

Irgendwann war mir klar: So lange will ich damit nicht warten. Ich will jetzt was tun! Ob das sowas wie eine Vorahnung war? Wer weiß das schon. Ein Arzt aus dem Bekanntenkreis brachte dann schlussendlich den Stein ins Rollen und ließ mich im Rheumazentrum Ruhrgebiet komplett durchchecken. Die haben dann ALLES gemacht: MRTs, Blutuntersuchungen, komplettes Programm. Mit dem Ergebnis, dass sie leider wieder nicht wirklich weiter wussten und schließlich ein weiterer Lymphknoten rausoperiert werden sollte.

Etwa eine Woche später lag ich dann wieder auf dem OP-Tisch im selben Krankenhaus wie sieben Jahre zuvor. Gleiches Spiel wie immer, ich war ja inzwischen Vollprofi und kannte das Ganze schon. Der Operateur kam am Tag nach der OP zu mir und sagte, dass es sehr untypisch für ein Lymphom aussah, was er da rausgeschnibbelt hatte. Eine Woche später sollte dann der Befund vorliegen. Weil die Probe aber erneut in ein Referenzlabor geschickt werden sollte, verzögerte sich der Besprechungstermin um eine weitere Woche. Wieder warten. Hölle. Ich hatte ein mieses Gefühl, ein verdammt mieses. Vorahnung? Keinen Schimmer. Ich weiß, dass ich ganz allergisch auf Menschen reagiert habe, die mich beruhigen wollten. Sätze wie „Das wird schon nichts schlimmes sein“ haben mich in den Wahnsinn getrieben.

Am 13. Oktober 2015 hatte das Warten ein Ende. Ein sehr netter Arzt hat meiner Mama und mir gesteckt, dass ich Krebs habe. Dödöm! An das Meiste von dem Gespräch kann ich mich nicht erinnern. Ich hab geweint. Meine Mama hat meine Hand gehalten. Das weiß ich noch.

Nach so vielen Check-Ups hatten wahrscheinlich alle die Hoffnung, dass der Befund negativ ist, wie bei den letzten Malen. Aber wie haben deine Familie und deine Freunde dann darauf reagiert, als es hieß, du hast Krebs?

Das war tatsächlich einer meiner ersten Gedanken ein paar Minuten nach der Diagnose. Wie zur Hölle sag ich das meiner Schwester, meinem Freund oder meinem Papa? Meine Mama hat dann meinem Papa und meiner Schwester die Hiobsbotschaft für mich überbracht. Mein Freund hatte vor dem Krankenhaus auf uns gewartet. Ihm das zu erzählen, war mit das Schlimmste für mich.

Abends saßen wir dann noch mit der Familie zusammen und haben versucht den Tag irgendwie einzuordnen und zu begreifen. Die Reaktionen hatten eins gemeinsam: Es waren alle unfassbar betroffen.

Ein oder zwei Tage nach der Diagnose hab ich dann beschlossen, eine Rund-Nachricht per Whats App an alle meine wichtigen Menschen zu schicken. Die Reaktionen waren recht ähnlich. Alle waren erschrocken und wussten wahrscheinlich nicht so richtig: „Was schreibt man nur auf sowas?“

Allgemein kann ich sagen, dass sich niemand meiner Freunde distanziert oder gar von mir abgewandt hat. Das liegt vielleicht daran, dass ich schon vorher eine sehr genaue Vorstellung von Freundschaft hatte und auch nur diejenigen als solche bezeichne, die für mich wirklich welche sind. Menschen, denen ich mich tief verbunden fühle und von denen ich mir kaum vorstellen kann, sie irgendwann nicht mehr in meinem Leben zu haben.

Es ist schön, dass deine Familie und deine Freunde so gut reagiert haben. Was hat dir dann in der Zeit des Krankseins besonders geholfen? Wie hast du dich abgelenkt, die Zeit vertrieben? Welche Tipps würdest Du anderen Betroffenen mit auf ihren Weg geben?

Also in erster Linie hat mir wirklich mein tolles Umfeld geholfen. Meine Familie, die mich bei allen Untersuchungen, Therapien, Gesprächen mit Ärzten und Blutkontrollen begleitet hat. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, immer mindestens noch eine Person dabei zu haben, die sich auch anhört, was die Ärzte sagen, mit aufpasst und auch weitere wichtige Fragen stellen kann, die einem selber womöglich gar nicht eingefallen wären. Man selber ist dabei wie in einem Film und ich muss ganz ehrlich sagen, viel von dem was die Ärzte gesagt haben, hatte ich kurze Zeit später schon wieder vergessen. So eine Diagnose ist beschissen genug, da sollte meiner Meinung nach niemand alleine durch müssen.

Auch meine Freunde waren für mich da. Ob durch Krankenhausbesuche, Besuche Zuhause oder einfach nur liebe Nachrichten, die einen wissen lassen „da denkt gerade jemand an dich“. Ich habe mir ziemlich schnell das Recht rausgenommen, auf solche Nachrichten auch mal nicht zu antworten. Wie es mir eben passte und das würde ich auch definitiv weiterempfehlen. Ich denke, es bringt einem gar nichts, sich in so einer Situation damit zu stressen, dass man noch auf 10 Nachrichten antworten muss. Oder sich gar dem blauen Häckchen-Wahn zu beugen, wenn man gerade sowieso völlig erschöpft ist. Das hat mit meinem Umfeld super funktioniert. Von allen Seiten wurde mir deutlich signalisiert, dass ich auch nein zu Besuch sagen darf, ihn mir aber genauso gut wünschen kann, wenn mir danach ist.

Abgelenkt habe ich mich eigentlich ganz klassisch: Spaziergänge, wenn möglich und ansonsten waren Netflix und Amazon Prime ganz hoch im Kurs. Dazu muss ich aber auch sagen, dass sich der Zeitraum bei mir nicht so zog, wie bei vielen anderen. Von Diagnose bis hin zur kompletten Remission waren es gerade mal drei Monate.
Was ich jedem Betroffenen mit auf den Weg geben würde, ist: Hört gut auf euch! Sowohl auf euren Körper, aber auch besonders auf eure innere Stimme, euer Bauchgefühl. Wenn euch etwas komisch vorkommt, fragt nach. Mir war es immer ganz wichtig, Bescheid zu wissen über das, was gerade mit mir passiert. Welches Medikament bekomme ich da gerade, wie genau läuft so eine Chemo ab. Ihr habt jederzeit das Recht, zu wissen, was mit euch gemacht wird, denn es ist immer noch (obwohl er in dieser Zeit sehr fremdbestimmt ist) euer Körper! Kommt ihr mit einem Pfleger oder gar einem Arzt nicht zurecht, sucht das Gespräch und bittet gegebenenfalls um jemand anderen.

Und fahrt in die Reha nachdem ihr alles geschafft habt! Ihr habt euch diese Auszeit verdient und ihr werdet dort einfach ein Stück weit an die Hand genommen, um physisch und psychisch wieder auf die Beine zu kommen. Wie du auch Izzie, war ich ja in Bad Oexen und kann das Programm für junge Erwachsene wirklich weiter empfehlen. Ihr seid dort umgeben von Gleichgesinnten und beinahe bedingungslosem Verständnis für das, was man erlebt hat und noch immer erlebt. Mir persönlich hat das viel Kraft gegeben.

Viele gute Hinweise für die Zeit der Erkrankung. Wie sieht es jetzt danach bei dir aus? Was hat sich für dich verändert? Wie setzt du deine Prioritäten im Vergleich zu vor der Erkrankung?

Zunächst einmal das Offensichtlichste: Ich trage jetzt eine flotte Kurzhaarfrisur! Wie vielen anderen, sind mir die Haare ca. 2 Wochen nach Therapiebeginn ausgefallen. Vielleicht an der Stelle ein kleiner Tipp an alle Angehörigen: Der Spruch „Die wachsen ja wieder“ oder „Na, das sollte ja das kleinste Übel sein“ ist Bullshit und hilft dem Betroffenen NULL! Mir ist schon bewusst, dass das in dem Moment gut gemeint ist, aber glaubt mir bitte: Niemand, der das nicht erlebt hat, kann sich vorstellen, wie es ist, sich nach und nach die Haare büschelweise und mühelos rausziehen zu können. Ich persönlich habe sehr an ihnen gehangen und mich vielleicht auch ein Stück weit über sie identifiziert. Ich vermisse sie sehr. Das geht auch nicht allen Betroffenen so, deshalb ziehe ich meinen Hut vor euch, die ihr so wunderbar selbstbewusst eure Glatzen zeigen konntet! So langsam Schritt für Schritt gewöhne ich mich an mein neues Aussehen und mein Inneres und Äußeres kommt sich wieder näher, aber das braucht einfach Zeit.

Ansonsten empfinde ich es so, dass alle um mich herum ein wenig näher zusammen gerückt sind und das ist sehr schön. Zu einigen ist das Verhältnis einfach nochmal ein ganzes Stück inniger geworden, was ich total genieße. Und ich habe in der Reha viele tolle, starke Menschen kennen gelernt, die mich einfach inspiriert und bereichert haben. Einige davon sind auf dem besten Wege, echte Herzensmenschen zu werden, die ich nicht mehr missen möchte und die sich ihrem Platz in meinem Herzen sicher sein können.

Grundsätzlich kann ich jetzt nach der Erkrankung sehr genau zwischen Dingen differenzieren, die mir gut tun und Dingen, die mir eben nicht gut tun. Ich versuche letztere, so gut es geht, zu meiden, was natürlich nie zu hundert Prozent funktioniert. Meine Schwester hat das letztens sehr schön formuliert: „Das ist ja eine ganz neue Klare-Grenzen-Sina.“ Ja, ich denke das trifft es ganz gut.

Meine Prioritäten liegen Momentan ganz klar bei Freunden und Familie und dabei Dinge zu tun, die gut für mich sind. In der Reha hab ich gemerkt, wie gut mir beispielsweise Bewegung tut und das habe ich bis jetzt gut in meinen Alltag integrieren können. Toi, toi, toi.

Wie geht es bei dir jetzt weiter? Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?

Ich möchte unbedingt Klavierspielen lernen! Das steht ganz weit oben auf meiner Liste und ich recherchiere dazu ganz fleißig momentan. Ansonsten begebe ich mich ganz langsam zurück ins Studium und werde dieses Semester die ein oder andere Klausur schreiben. Alles Weitere wird sich zeigen.

Vielen Dank liebe Sina, dass du mir Rede und Antwort gestanden hast. Ich wünsche Dir, dass sich dein Inneres und dein Äußeres schnell wieder zusammenschweißen und dass du einen tollen Lehrer findest, der dir die Welt der Klaviermusik näher bringt.

Wer Fragen an Sina hat, kann gern das Kommentarfeld nutzen. Um die Interviewreihe fortzuführen, bin ich weiter auf der Suche nach anderen Betroffenen, die vielleicht auch Lust haben, ihre Geschichte hier zu erzählen, gern auch anonym.

Eure Izzie

Hier alle anderen Interviews mit starken Menschen wie Sina:
Hier findet ihr meine Gäste aus den vorhergehenden Interviews:
Kathi
Jeanette
Natascha

[1] Das Beitragsbild “Lemon Squash” ist ein Foto von Bas Van Uyen, Lizenz: CC BY-NC-ND (das Bild wurde beschnitten)

Reha – eine ganz eigene Parallelwelt

Die Hälfte der Reha ist rum und nachdem ich die ersten zwei Wochen kaum einen Moment für mich allein hatte, wird es langsam etwas ruhiger. Momente der Ruhe finden sich und es ist mir ein Bedürfnis, endlich mal wieder ein paar Zeilen zu tippen. 

Wie beim letzten Versuch auch, steht in erster Linie Sport auf dem Programm. In den letzten zwei Wochen hat sich schon einiges getan. Langsam geht mehr Belastung und der Puls gerät nicht mehr so aus dem Gleichgewicht. Vorträge lasse ich getrost aus, da sie mich nur runterziehen und auf Ideen bringen, die ich nicht haben will. Psychotherapeutische Gespräche stehen bei mir auch auf dem Plan und ich habe eine Therapeutin erwischt, die mich wirklich weiter bringt. Sie gibt mir neue Denkanstöße, Tipps für weiterführende Literatur und Modelle an die Hand, um alles zukünftige meistern zu können.

Die „Jungen Erwachsenen“ bekommen zum Standard-Reha-Programm noch ein pädagogisches – ich nenne es mal – Unterhaltungsprogramm. Vom Varieté über Spieleabend bis hin zum Escape Hunt Game. Bei allem bleibt viel Zeit für die in meinen Augen sehr wichtigen Gespräche untereinander. Sprechen über das Erlebte und das Leben. Auch dieses Mal habe ich wieder eine Gruppe erwischt, in der ich der einzige „Hodgi“ – wie wir manchmal liebevoll genannt werden – bin. In den anderen Gruppen um mich herum tummeln sich mehrere. Aber man tauscht sich aus, auch über Gruppengrenzen hinweg und hört Erfolgsstories, aber auch Dinge, die nicht so gut gelaufen sind. 

Ein Stück weit handelt es sich um eine Art Parallelwelt hier. Alles ist einfach, geplant und nicht zu stressig. Das hat nicht viel mit dem normalen Leben zu tun, aber es ist ein klein wenig Urlaub für die Seele. Und den hat sich hier wohl jeder einzelne verdient. Interessant wird dann die Rückkehr in die normale Welt. Aber das dauert noch zwei Wochen und vielleicht ist das genau die Zeit, die man braucht, um dann wieder reif für das richtige Leben zu sein.

Eure Izzie

Winkend durch den Krankenhausdschungel

Morgens halb neun in Deutschland: „Einatmen – ausatmen und wieder einatmen und ausatmen. Schneller ein- und ausatmen. Jetzt ganz doll Luft holen. Und jetzt Ausatmenausatmenausatmen! Und … Normal weiteratmen.“ Das nennt sich Lungenfunktionstest. Danach Blutabnehmen am Ohr – auch ich erlebe noch erste Male.

Danach weiter zum EKG. Vorher Blutabnehmen. Dieses Mal natürlich wieder aus der Vene. Wie soll es auch anders sein. Beim Echo – ich übersetze: Ultraschall vom Herzen – habe ich einen 47-jährigen Oberarzt, der vor 7 Monaten das erste Mal Vater geworden ist. Oah süüüüüß. Ich zeige mich begeistert. Und bin überwältigt von der Feinfühligkeit, einer  27-jährigen Krebspatientin, die, wie von ihm erfragt, selbst noch nicht weiß, ob das Kinderkriegen nochmal funktioniert, vorzuschwärmen, dass das eins der schönsten Dinge im Leben sei. Vom gleichen Arzt lerne ich auch noch, dass man nie weiß, was der liebe Gott für einen bereit hält. Das ist wohl auch gut so. Was hätte ich bloß gemacht, wenn ich vor fünf Jahren gewusst hätte, dass 2015 mein Schrott-Jahr jemals wird!?!?

Anschließend laufe ich gefühlt winkend durch die Klinik, da ich natürlich bekannt bin wie ein bunter Hund. Schwebe noch kurz bei der Ärztin vorbei, die den gleichen Vornamen wie meine Mama trägt, vorbei. Check! Die Gürtelrose ist auf dem Rückzug. Schmerzmittel bleiben weiter. Lebt sich einfach einfacher so. Dann noch zum kurzen Pläuschchen bei meiner Strahlenärztin vorbei, die sich sehr zufrieden mit meiner körperlichen Verfassung zeigt. In einem Jahr soll ich mal wieder vorbeikommen. Check! 2 Euro am Parkautomaten gezahlt und schon habe ich alles geschafft – in unter 4 Stunden! Ha, das soll mir erstmal einer nachmachen!

Izzie

[1] Das Beitragsbild „Bekannt wie ein bunter Hund“ ist ein Foto von Jenaro, Lizenz: CC BY-NC-ND

AHB vs. AGM

Der Titel lässt vermuten, dass ich thematisch umgestiegen bin und nun Autos miteinander vergleiche. Das tue ich natürlich nicht. Wer weiß, was ich für eine Knatterkarre fahre, der weiß auch, dass ich bestimmt keinen Faible für Autos habe.

Für diejenigen unter euch, die ein ausgezeichnetes Gedächtnis haben und jeden meiner Texte mehrmals lesen, ist die Abkürzung AHB kein Neuland. Gemeint ist natürlich die Anschlussheilbehandlung. Ein Begriff, der so nur im bürokratischen Deutschland vorkommen kann. Er klingt so altbacken, dass man sich am liebsten dagegen wehren möchte, ihn zu benutzen. Da ich also so eine Abneigung gegen den Begriff habe, hat die Sozialarbeiterin im Krankenhaus mir nun einen neuen gegeben: Allgemeine Gesundheitsmaßnahme. Auch schön.

Durch den Abbruch meiner Reha rutsche ich nun wohl in die Allgemeine Gesundheitsmaßnahme. Eine Anschlussheilbehandlung heißt nämlich deshalb ANSCHLUSSheilbehandlung, weil sie sich unmittelbar an das Behandlungsende anschließen muss. Nach einer Bestrahlung ist die Frist 6 Wochen. Da mein Ende der Bestrahlung nun schon fast zwei Monate zurück liegt, bin ich knapp vorbeigeschrammt an der AHB.

Weil ich bei diesen Themen nur begrenzt durchsehe und mein Ziel eigentlich nur ist, die Reha wiederholen zu können, habe ich die Rentenversicherung, die Rehaklinik, die Sozialarbeiterin und meine Ärztin alle gleichzeitig in Bewegung gesetzt. Aber man kennt das ja: viele Köche versalzen einem die Suppe.

So sagte die Rentenversicherung: “einfach ein formloses Schreiben, dass Sie wiederholen wollen und die Bescheinigung ihres Arztes, wann Sie wieder rehafähig sind”. Aber das sah die Sozialarbeiterin anders und meint, wir brauchen einen neuen Antrag, da ich sonst nur die restlichen Tage, die ich nach Abbruch gehabt hätte, wiederholen kann. Aber es handle sich nun um eine AGM. Auf die Frage, was der Unterschied sei, sagte sie dann auch nur: “Nichts.”

Na gut, dass wir zwei Begriffe haben für ein und dieselbe Veranstaltung.

Auf die AGMs dieser Welt!

Eure Izzie

Wie die Zeit vergeht…

Meine Güte: Mein letzter Beitrag ist nun acht Tage her. Das ist definitiv zu lang. Was habe ich bloß die ganze Zeit getrieben?

Ich habe meine Gürtelrose auskuriert. Es hat sich doch etwas hingezogen. Aber seit Ende letzter Woche ist sie am Abklingen. Jetzt muss ich nur noch von den ganzen Schmerzmitteln wegkommen. Insbesondere diese Antiepileptika machen mich etwas zittrig. Mit Erschrecken musste ich gestern feststellen, dass ich in den letzten Tagen 100 Schmerztabletten gegessen habe. Bei der Menge trifft „essen“ es wohl am ehesten.

Meine Nähmaschine habe ich auch wieder ausgepackt. Seit ich die Antiepileptika um eine Tablette reduziert habe, fühle ich mich nicht mehr so betrunken und damit wieder im Stande, solch anspruchsvolle Maschinen zu bedienen. Das Nähfieber hat mich also wieder gepackt und das ratternde Geräusch klingt durch die Wohnung.

Ansonsten bin ich dem Dominion-Fieber verfallen. Siehe Beitragsbild oben. Allen Spieleliebhabern, die dieses Spiel noch nicht kennen, sei es ans Herz gelegt. Ich biete auch gern Testrunden bei mir an.

Und eine letzte Neuigkeit: Ich bin jetzt bei Facebook eingestiegen. Alles nur, damit es für euch komfortabel ist, mir zu folgen. Auf der rechten Seite findet ihr ein kleines Fenster. Da seht ihr, was so passiert und mit einem Klick seid ihr drüben. Es lohnt sich, vorbeizuschauen.

Eure Izzie

Bloggen tut der Seele gut – findet auch Jasmin

Heute habe ich Jasmin auf meinem Blog zu Besuch. Sie hatte auch Morbus Hodgkin und musste diesen großen See durchschwimmen, von dem ich euch so oft erzählt habe. Wir haben uns auf unserer Schwimmstrecke kennengelernt und die ganze Zeit Kontakt gehalten. Auch Jasmin hat nun angefangen zu bloggen. Mit einem kleinen Interview möchte ich euch Jasmin und ihren Blog mycancerdiarysite.blogspot.com vorstellen.

Hallo Jasmin, toll, dass Du da bist. Möchtest du dich kurz vorstellen?

Hallo meine liebe Izzie und ihr fleißigen Leser. Mein Name ist Jasmin. Ich bin kurz vor meiner Diagnose 28 Jahre jung geworden. Kinder habe ich ebenfalls noch keine und bin beruflich im Büro tätig.

Wie geht es dir heute?

Puh, also grundsätzlich viel besser als vor und während der Therapie. Klar, einiges an Nebenwirkungen ist leider schon noch da und ganz so fit wie man gern wäre, ist man auch noch nicht. Aber ich denke, spätestens nach der Anschlussheilbehandlung bin ich sicher wieder auf einem guten Weg in (m)ein „normales“ Leben.

Deine Erlebnisse verarbeitest du nun selbst auf deinem Blog. Warum jetzt?

Während meiner Therapie bin ich im Internet auf einen wirklich tollen Blog gestoßen, der mir so sehr aus der Seele gesprochen hat. Ich habe mich einfach bei so vielen Sachen wiedergefunden und es hat mir sehr geholfen zu sehen, dass ich nicht alleine bin und dass man es durch diese blöde und schwere Zeit schaffen kann. Auch deinen Blog habe ich stetig mitverfolgt. Ich fand das wirklich toll und dachte, sich das alles selbst von der Seele schreiben zu können, wäre wirklich super. Einerseits um es besser verarbeiten zu können und auf der anderen Seite um vielleicht ebenso Betroffenen zu helfen. Ich finde es auch wirklich gut, alles noch mal auf zu rollen und sich die ganzen langen Etappen zum Ziel noch einmal vor Augen zu führen. Nun war ich allerdings leider während der Therapie nicht wirklich in der Lage dazu – also dann nun nachträglich. Ich hoffe bis zur AHB soweit up to date zu sein, dann kann ich wirklich auch aktuell schreiben und berichten.

In deinem ersten Blogpost erzählst du, wie genau es zu der Diagnose Morbus Hodgkin kam. Wie haben deine Verwandten und Freunde auf darauf reagiert?

Traurig, geschockt, sprachlos, aber auch teilweise mit leichten Ansätzen von Optimismus – es war eine Mischung aus allem dabei. Interessant war auch, zu sehen, dass es durchaus Leute gab, mit deren Unterstützung und Hilfsangeboten man nicht gerechnet hätte und dann gab es wiederum so tolle Leute, die anscheinend damit nicht in Berührung kommen wollten oder konnten. Da trennt sich wahrlich die Spreu vom Weizen…

Die Zeit der Chemotherapie war lang und langweilig. Wie hast du dir die Zeit vertrieben? Was kannst du anderen Betroffenen empfehlen?

Leider hatte ich nicht ganz so viel Glück, ich hatte sehr mit diversen Nebenwirkungen zu kämpfen. Dennoch habe ich versucht, wirklich jeden Tag an die Luft zu gehen. Ich habe Einkäufe so gesplittet, dass ich fast jeden Tag auch zum Laden gehen musste, habe mich, wenn es mir etwas besser ging, mit einen leckeren Latte Macchiato auf meinen Spaziergängen belohnt, bin durch Buchläden getigert. Mit meinem Freund habe ich viele kleinere Ausflüge gemacht, habe endlich mal wieder etwas gelesen oder ein Spiel gespielt, einen vorgezogen Frühjahrsputz absolviert und Balkonarbeit gemacht. Zwar alles nicht in einem normalen Tempo, aber so waren die Tage dann eben auch schneller gefüllt. Dennoch gab und gibt es so einige Tage, wo mir wirklich die Decke auf den Kopf fällt.

Wie geht es bei dir weiter? Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?

Ganz aktuell steht meine Nachsorge jetzt vor der Tür. Ich bin optimistisch, dass alles gut geht – aber recht mulmig ist mir doch. Nochmal auf die CT-Liege zu hüpfen, wo beim letzten Mal die Biopsien entnommen wurden und eigentlich noch alles ganz anders war, wird schon nochmal sehr merkwürdig werden. Ende Februar geht es dann für mich vier Wochen zur AHB. Was dann kommt, wissen nur die Sterne. Grundsätzlich möchte ich wieder etwas Sport machen und all die vielen Dinge, auf die ich letztes Jahr verzichten musste. Ich freue mich zum Beispiel auch wahnsinnig auf den Sommer, denn wir hatten leider letztes Jahr nicht viel Zeit zusammen. Ich hoffe auch, dass ich endlich den versteckten Schalter finden werde – du weißt schon, der Schalter, der das Leben wieder auf „normal“ umschaltet…

Vielen lieben Dank für die Antworten Jasmin. Ich wünsche Dir viel Spaß mit deinem Blog, dass Du ganz schnell den Schalter findest und mit dem Sommer in diesem Jahr eine richtige Busenfreundschaft schließt.

Wenn ihr Fragen an Jasmin oder Anmerkungen anderer Arten habt, findet ihr unten im Kommentarfeld Platz dafür. Wie ihr wisst, freue ich mich über jeden einzelnen Kommentar von euch.

Eure Izzie

Nutella gehört nicht in den Kühlschrank

Den Tag verbringe ich momentan mit der Einnahme von Medikamenten. Alle 4 Stunden Virostatikum, alle 6 Schmerzmittel, alle 8 weiteres Schmerzmittel, alle 12 Antibiotikum. Wäre auch zu schön, wenn die Zeiten sich etwas mehr gleichen würden.

Eins der Schmerzmittel, die ich bekomme, ist ein Antiepileptikum. Es wirkt einfach etwas anders als gewöhnliche Mittel und beruhigt deshalb den Nervenschmerz. Als Nebenwirkung wird Benommenheit angegeben. Was ich definitiv bestätigen kann. Ich habe ein dünnes Brett vorm Kopf. Was dazu führt, dass ich die Nutella in den Kühlschrank stelle und eine leichte Egalhaltung eingenommen habe. Deshalb darf ich gerade auch nicht Auto fahren. Aber wo soll ich auch hinfahren, schließlich soll ich mich ja von Kindern und Schwangeren fernhalten. Mein Lieblingscafé fällt damit aus, weil sich dort einige dieser Art aufhalten.

Naja Hauptsache es wirkt und der brennende Schmerz ist verschwunden. Sowas habe ich wirklich noch nicht erlebt. Solche Schmerzen hatte ich nicht mal während der Chemotherapie. Nur die Benommenheit kommt mir bekannt vor. Ungefähr so habe ich mich auch in den ersten beiden Zyklen am zweiten Chemotag gefühlt. Erinnerungen kommen hoch, scheinen mich aber nicht mehr zu beunruhigen. So viel hat die Reha schon gebracht: Darandenkenkönnen ohne Traurigkeit.

So, auf einen weiteren Tag auf der Couch!

Eure Izzie

P.s.: Heute auf den Tag genau 7 Monate ist meine Krebsdiagnose her. Die 14er sind bei mir irgendwie negativ behaftet.

Hätte, wäre, wenn …

Am liebsten würde ich die ganze Zeit laut schreien und heulen. Dass eine Gürtelrose so wehtun kann, hätte ich nicht geglaubt. Die Nacht ist zum Tag geworden. Etwa drei Stunden Schlaf waren durch die Schmerzmittel möglich.

Es ist wieder mal super gelaufen. Die Gürtelrose

hätte die Ärztin in der Rehaklinik früher entdecken können und sollen, dann

wäre sie schneller eingedämmt worden und man hätte mit der Schmerzmedikation früher anfangen sollen.

Wenn man aber erst zwei Tage später einen Termin beim Arzt bekommt, gibts da wenig Chance.

Ich stehe Kopf und ärgere mich einfach mal wieder über das Chaotentum. Aber Ärgern soll nicht gut sein. Man muss sich entspannen und ausruhen. Die Gürtelrose ist schließlich eine Nervenentzündung. Also Nerven beruhigen. Chillen!

Völlig benebelt von den ganzen Schmerzmitteln sitze ich also mal wieder zu Hause und kann nichts tun. Ich denke ernsthaft darüber nach, umzuziehen, denn langsam kann ich meine Wohnung nicht mehr leiden. Es war so schön, mal rauszukommen und mal in einem anderen Bett zu schlafen. Als ich zurückkam und die Wohnung betrat, war ich sofort wieder an meine Zeit der ewigen Zuhausesitzerei erinnert. Was würdet ihr tun? Alte Möbel raus und neue kaufen? Malern? Neue Wohnung suchen?

Ich freue mich über eure Vorschläge.

Eure Izzie

Das Beitragsbild ist ein Foto von Thomas Helbig, Lizenz: CC by-nc (Foto wurde beschnitten)

Der SuperGAU: vorzeitiges Reha-Aus

So schnell kann es gehen: Vorbei ist die Chance zur Wiedereingliederung. Der Hautarzt in der Rehaklinik stellte heute um 11:07 Uhr fest: „Das ist natürlich der SuperGAU.“ Hätte ich nicht nachgefragt, wüsste ich jetzt noch nicht, dass das übersetzt Gürtelrose heißt. Er schrieb nur stillschweigend auf einen Zettel: vorzeitiger Reha-Abbruch aus gesundheitlichen Gründen.

Wieder mal Glück im Unglück: Hagbard war eine Stunde zuvor in sein UBoot gestiegen, um nach seinem Wochenend-Besuch nach Hause zu fahren. Er drehte also wieder um und konnte mich sofort mitnehmen.

Ich kann euch gar nicht sagen, wie traurig und gleichzeitig wütend ich bin. Zum einen weil ich meine Gruppe verlassen musste – hatte ich sie doch alle sehr lieb gewonnen – und zum anderen weil ich zurückgeworfen werde auf meinem Weg zurück ins normale Leben.

Und außerdem tut so eine Gürtelrose echt weh! Ach menno!

Eure Izzie

[1] Das Beitragsbild „Nine-banded armadillo“ ist ein Foto von Thomas Helbig, Lizenz: CC by-nc (Foto wurde beschnitten)

Sport frei

Nächster Schritt auf dem Weg zurück ins normale Leben: Anschlussheilbehandlung. Ich habe mich aufgemacht, um wieder fit zu werden. Zugegebenermaßen ist es mir nicht leicht gefallen, wegzufahren, denn das letzte halbe Jahr habe ich Hagbard jeden Tag um mich gehabt. Daran kann man sich sehr schnell gewöhnen. Und nun bin ich hier ganz ungewohnt mal wieder auf mich gestellt und muss mich selbst aufraffen, Dinge zu tun. 

Aber ich bin hier nicht allein. Mit mir zusammen sind acht weitere junge Leute zwischen 20 und 31 angereist. Uns vereint die Tatsache, dass wir alle das gleiche Pech hatten und uns der Krebs aus unserem Leben gerissen hat, aber jeder hat seine persönliche Geschichte. Bei jedem lief es etwas anders. Denn Krebs ist nicht gleich Krebs. Dieser allgemeine Begriff führt doch etwas in die Irre. Ich dachte, vielleicht treffe ich in der Gruppe noch jemanden mit Lymphdrüsenkrebs. Aber diese Gruppe ist dann doch mal ein bisschen repräsentativ dafür, dass diese Sorte selten ist.

Ich fühle mich schon nach wenigen Tagen relativ wohl. Außer an den Wochenenden gibt es hier viel zu tun. Das Programm ist straff und ich werde sportlich stark gefordert. Bauch- und Rückentraining, Zirkeltraining, Ballspiele, Crosstrainer und Stepaerobic stehen auf dem Programm. Muskelkater ist also mein täglicher Begleiter für die nächsten Wochen. Ansonsten gibt es Ernäherungsberatung, Vorträge und psychologische Gespräche.

Also: Sport frei!

Eure bald wieder fitte Izzie

Haarband

Zum Haareraufen – ein Erfahrungsbericht

Das Thema Haarausfall ist für viele Frauen ein emotionales Thema. Ich habe darüber geschrieben, wie es war, meine Haare zu verlieren und dann letztlich abzurasieren.

Ich war niemand, der seine Haare über alles geliebt hat und war einfach froh, sie los zu werden, denn die letzten Tage vor dem Kahlschlag waren einfach nur anstrengend. Ich hätte nie gedacht, dass es einem solche Schmerzen bereiten könnte, wenn die Haare ihren Halt verlieren. Und der Frust bei jeder Berührung Haare in der Hand zu haben, machte mich verrückt.

Schon bevor die Haare abrasiert waren, sorgte ich für Haarersatz. Ich entschied mich für ein Haarband von „Weil du schön bist“. Zu Beginn des zweiten Chemozyklus hatte ich 40 cm lange, mitteldicke, blonde Traumhaare. Erst ärgerte ich mich darüber, dass sie so wenig meiner natürlichen Farbe glichen, aber bald fand ich die Typveränderung cool und stellte fest, dass ich meiner Schwester nun verdammt ähnlich sah.

Ich trug mein Haarband etwa drei Monate. Danach verlor ich die Begeisterung etwas. Grund dafür war die ständige Hitze in mir und die fehlende Lust, sich immer vorbereiten zu müssen. Hagbard bestärkte mich immer wieder, nur mit Mütze zu gehen. Erst war es seltsam, aber irgendwann völlig okay. Seitdem liegt das Haarband nur rum.

Der kahle Kopf hat mich also ein paar Monate  begleitet und mittlerweile bin ich es mehr als über und wünsche mir eine Frisur. Egal welche, einfach Haare. Denn die Glatze steht für Krebs. Jede Frau, die eine hat, wird sofort in die Schublade gesteckt. Mir war es irgendwann nicht mehr wichtig, ob mich jemand „enttarnt“. Aber der Blick in den Spiegel erinnert mich natürlich jeden Tag an das Geschehene.

Es dauert bis die Haare wieder richtig dicht sind. Zwar habe ich jetzt schon jede Menge feine Härchen wie ein 9 Monate altes Baby, dennoch trage ich nach wie vor eine Mütze. Einfach, weil ich mich nicht wohl fühle. Ich gefalle mir nicht. Deshalb bleibt die Mütze, bis ich zufrieden bin mit meiner Frisur.

Eure Mützen-Izzie

Geschmack des Tages: Pappe, Holz oder Autoreifen

  • Müsli mit Milch => schmeckt nach Sand
  • Smoothie mit Feldsalat => schmeckt nach Autoreifen
  • Schnitzel Wiener Art mit Pommes und Salat => schmeckt nach nichts
  • Brötchen mit Belag => schmeckt nach Pappe
  • Nudeln mit Tomatensoße => schmeckt holzig
  • Eis mit Schokoladenstückchen => schmeckt annährend nach Eis mit Schokostückchen

Wie ihr seht, ist mein Geschmackssinn noch nicht so richtig zurück. Komischerweise rieche ich ganz hervorragend. Ich dachte immer, das würde miteinander zusammenhängen. Naja, das Essen ist auf jeden Fall nicht ganz so schön wie sonst. Aber es geht voran. Die Kalorien des nicht schmeckenden Essens setzen trotzdem endlich wieder an. Das erste Kilo ist zurück.

Es ist verwirrend, dass ich zu Beginn des Essens immer meine, etwas zu schmecken. Nach den ersten Happen ist der Geschmack wieder weg. Ich hoffe, das bleibt kein Dauerzustand. Dr. Google sagt, das könne 6 bis 8 Wochen dauern bis der Geschmackssinn zurück ist. Natürlich liest man auch entsprechende Horrorstories, dass er nie zurück kam.

Schon bald packe ich meine Koffer und fahre zur Anschlussheilbehandlung. Ja, so heißt das. Nicht etwas Reha oder so. Da ich ja noch nie bei sowas war, muss ich nun auch erstmal überlegen, was man da so brauchen könnte. Ich habe mir überlegt, dass ich den Koffer jetzt einfach mal offen hinlege und immer wenn mir was einfällt, schmeiße ich es hinein. Am Ende wird da schon alles drin sein.

Also, ich packe meinen Koffer und nehme mit: Gesellschaftsspiele!

Eure Izzie

Ich habe fertig, 2016 kann kommen

Das Jahr 2015 neigt sich dem Ende zu. In fünfeinhalb Stunden fangen wir die Monate wieder von vorn an zu zählen. Und ich beginne das Jahr gesund und etwas müde. Heute war das letzte Mal Bestrahlung. Der See ist also durchschwommen und nun werde ich eine Weile brauchen bis meine Beine wieder Gehen statt Schwimmen können. Das ist wie, wenn man nach dem Schlittschuhlaufen wieder in seine Schuhe schlüpft: ein komisches Gefühl bei den ersten Schritten.

Silvester war noch nie mein Fest. Ich mag weder das Geknalle noch das Runterzählen der letzten zehn Sekunden bis null Uhr oder die „Wir beginnen ein neues Jahr und schnipp wird alles anders“-Stimmung. Aber in diesem Jahr markiert Silvester für mich einen wichtigen Meilenstein. Symbolisch habe ich bereits alle Unterlagen, die sich so über das letzte halbe Jahr zu meiner Erkrankung angesammelt haben, abgeheftet. Diesen Ordner stelle ich nun in den Schrank. Auch 2016 werde ich ihn immer wieder rausholen, aber nicht weil ich vergessen habe, wie das genau war. Dafür habe ich diesen Blog angelegt.

Vor 159 Tagen schrieb ich meinen ersten von insgesamt 67 Blogeinträgen. Und ich bin jeden Tag sehr froh darüber, dass ich das gemacht habe und kann es nur jedem empfehlen. Schreibt es auf. Am meisten habe ich mich über die riesige Resonanz gefreut. 108 Kommentare, die mir so viel Mut gemacht haben! Ich danke euch!

2015 war für mich das Jahr der Tränen und Ängste. So viel Sorgen wie ich in diesem Jahr hatte, hatte ich in den ganzen Jahren davor zusammengerechnet nicht. Ich habe meine Haare und einige Freunde verloren. Die Haare wachsen nun wieder nach, aber Freundschaft wächst nicht einfach nach. Das war sicherlich eine der härtesten Erfahrungen überhaupt: Zu erkennen, wer die Menschen sind, die auch in schweren Zeiten an meiner Seite sind.

Vor 169 Tagen habe ich erfahren, dass mich der Krebs erwischt hat. Und nun sitze ich hier und bin ihn los. 169 Tage, von denen kein einziger verging, ohne daran zu denken. Wann wird der erste sein, an dem ich einen Tag mal gar nicht daran denke? Ich denke, das wird dauern. Aber die Zeit werde ich nutzen und mich wieder in Form bringen.

Das einzige was ich mir für 2016 wünsche, ist Gesundheit. Für mich und meine Liebsten!

Rutscht gut hinein!

Eure verknallte Izzie (auch ganz ohne Knallzeugs aus dem Supermarkt)

Noch ein Mal Schlafen

Noch ein Mal Schlafen und dann ist es soweit: ein letztes Mal Bestrahlung. Die Vorfreude erinnert mich an das Gefühl aus meiner Kindheit, wenn ich am nächsten Tag Geburtstag hatte. Und eigentlich ist es viel mehr als das jährliche Geburtstag haben. Es ist das offizielle Ende meiner Strapazen. Die Therapie ist damit beendet.

Gestern durfte ich noch erleben, wie das Gerät während meiner Bestrahlung ausfiel. Nach der Hälfte der Zeit hörte es einfach auf, den Pfefferstreuer zu drehen. Dann wurde der Computer neugestartet. Half aber nix, die Bestrahlung musste abgebrochen werden. Der Techniker muss das Ding über Nacht repariert haben, denn heute ging es weiter und zwar gleich zweimal. Morgens gegen 8 und dann nachmittags nochmal gegen 15 Uhr.

Während der letzten Woche habe ich nun auch begriffen, was bei Beschwerden mit der Speiseröhre wirklich hilft. Von wegen Salbei. Dieses Mal hat mir das nicht geholfen. Die Lösung ist Frappé. Das sind diese super hippen Eisgetränke, bei denen die Eiswürfel sämig gemixt und dann mit Kaffee oder Fruchtmus vermischt werden. Da Kalorien gerade mehr als erwünscht sind, trinke ich einen „Iced Coffee Caramel Frappé“ mit einem Extra-Schuss Espresso und viel Sahne. Direkt nach der Bestrahlung in riesengroß hilft das Ding wirklich ungemein. Und mit diesem Trick haben sich die letzten Tage aushalten lassen.

Ich muss schon sagen, dass das echt ne ziemliche Aufregung in den letzten dreieinhalb Wochen war. Und ein Theater mit der Esserei. Ein weiteres Kilo ist auf der Strecke geblieben. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass man die Wahl hat, sollte man seine Bestrahlung nicht auf Weihnachten legen, denn das macht das ganze etwas trostlos.

Eure Izzie