Vor ein paar Wochen hatte ich euch hier von meiner etwas suboptimal gelaufenen letzten Nachsorge erzählt. Es ging darum, dass der Arzt, der den Ultraschall durchführen sollte, für längere Zeit erkrankt war und es bis dahin keinen Ersatztermin geben würde. Es folgte ein Alternativvorschlag für einen Termin im März. Der nun auch wieder verworfen wurde und somit 2 Monate nach dem eigentlichen Nachsorgetermin keine Sicht auf Abschluss dieses Vorgangs ist.
Nervig. Auch für mich. Und am liebsten würde ich es einfach dabei belassen und nicht weiter darüber nachdenken. Aber so einfach ist es nicht. Die Nachsorgetermine sind elementare Bestandteile des Sicherheitsnetzes und wenn da einige Fäden nicht fertig gewebt werden, gibt’s da ein Loch, in das ich hineinfallen könnte.
Ich blieb also dran, auch mit der Vorahnung, dass ich nicht viel ändern könnte. Ich rief im Krankenhaus an, um zu fragen, ob es die Möglichkeit gäbe, den Ultraschall wo anders machen zu lassen. Ich wurde direkt durchgestellt zur Ärztin, die wie immer gestresst war und im Laufe des Gesprächs sagte: „Frau Stark, wir haben hier schwerstkranke Patienten. Wenn Sie sich nicht ausreichend versorgt fühlen, dann müssen Sie sich wo anders einen Ultraschall machen lassen. Wir haben hier einfach kein Personal für sowas.“ Ein weiterer schöner Satz aus dem Telefonat: „Wonach suchen Sie denn?“
Ich fühlte und fühle mich vor den Kopf gestoßen. Mein normales Ich versteht völlig die Lage der Ärztin und Krankenschwestern, mein ehemals krankes Ich ist einfach nach wie vor ängstlich und kann solche Form von Kritik nur schwer einstecken. Es ist sicher ein Fehler, den Menschen, die bereits die Erkrankung überstanden haben, zu sagen, dass es wichtigeres als ihre Nachsorge gibt.
Nachsorge, wie muss die eigentlich aussehen
Was mich immer wieder umtreibt, ist das völlig unterschiedliche Vorgehen bei der Nachsorge von Hodgkin-Patienten, die zum Teil sogar das gleiche Stadium und/oder die gleiche Therapie hatten. Ich kenne zwei konkrete Beispiele, die völlig unterschiedliche Nachsorgepläne haben und auch bei Facebook wird immer wieder gefragt, wie sieht eure Nachsorge aus?
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mich macht dieses Chaos verrückt. Daher habe ich mich jetzt mal hingesetzt und alle verfügbaren Infos zusammengetragen. Ich kann euch vorab schon sagen: Viele Köch verderben den Brei. Eine allgemeingültige Aussage gibt es an vielen Stellen nicht.
Wie oft sollte man zur Nachsorge gehen?
- 1. Jahr: alle 3 Monate
- 2. – 4. Jahr: alle 6 Monate
- Ab dem 5. Jahr: Jährlich
Wer wie ich Studienpatient im Rahmen der German Hodgkin Studygroup (GSHG) ist, also in einer der HD-Studien behandelt wurde, hat eine Nachsorge weniger im Plan. Denn hier wird im ersten Jahr nur 3 Mal angesetzt: Nach 3, 6 und 12 Monaten. Wurde bei mir ignoriert. Hatte trotzdem auch nach 9 Monaten. Aber wer also ab der zweiten Nachsorge nur noch halbjährlich kommen soll, braucht sich nicht zu wundern. Da Studie nun mal Studie ist, kann hier auch ein anderer Plan gefahren werden. Aber reiten wir mal nicht auf diesem Mini-Unterschied rum.
Zwei Drittel der Rückfälle treten innerhalb der ersten zweieinhalb Jahre auf, über 90% in den ersten 5 Jahren nach Therapie auf. Daher ist insbesondere in den ersten drei Jahren eine intensive Nachsorge vorgesehen.
Übersicht der Quellen
Hier im Detail die Gegenüberstellung der aussagekräftigsten Quellen, die ich gefunden habe. Die inoffizielle Quelle ist ein Nachsorgeplan einer Person, die ich bei Facebook in einer Diskussion entdeckt habe.
Was sollte bei den Nachsorgeterminen gemacht werden?
Beim Durchforsten der gängigen Quellen sind diese drei Parts immer dabei und werden quasi einheitlich als Standard genannt:
- Arztgespräch mit Fragen nach der allgemeinen Gesundheit und nach möglichen Symptomen oder Veränderungen während der letzten Monate
- Körperliche Untersuchung mit Abtasten der Lymphknotenstationen und des Bauches
- Blutbild und Differentialverteilung, Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), CRP, TSH
Bei den nächsten beiden Untersuchungen gehen die Meinungen in den verschiedenen Quelle auseinander:
- Röntgen Thorax. Das Röntgen des Thorax kann zur Nachuntersuchung insbesondere in den ersten 3 Jahren nach Therapie eingesetzt werden. Patienten, die im Rahmen einer der HD-Studien der GHSG behandelt wurden, sollen bei jeder Nachsorge ein Röntgen Thorax bekommen.
- Ultraschalluntersuchungen. Meist ist die Rede von einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraumes, aber in einigen Quellen wird auch über Ultraschall der Achselhöhlen (falls man axilliär befallen war) oder des Halses (falls cervikaler Befall) gesprochen. In vielen der Quellen wird es als Kann-Untersuchung angesehen. Studienpatienten, die im Rahmen der GHSG behandelt wurden, sollen eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens planmäßig bekommen.
Was alle von mir dursuchten Quellen im Rahmen der regelmäßigen Nachsorge für nicht erforderlich halten, aber immer wieder viel gemacht wird:
- Computertomographie. Für Patienten, die eine komplette Remission erreicht haben, keine Symptome oder einen Hinweis auf das Vorliegen eines Rezidivs haben, sollte keine Routine-CT erfolgen.
- PET-CT. Das PET-CT soll nur bei Verdacht auf ein Rezidiv eingesetzt werden. Der regelmäßige Einsatz der PET in der Nachsorge wird nicht empfohlen.
- MRT ist die Alternative zum CT und muss auch nicht standardmäßig durchgeführt werden, sondern nur bei Rezidivverdacht.
In der Nachsorge wird auch kontrolliert, ob Folge- und Begleiterkrankungen aufgetreten sind. Es kann vorkommen, dass infolge der Behandlung eine Schädigung am Herzen, an der Schilddrüse oder der Lunge auftritt.
- Schilddrüsenwerte sollten insbesondere nach Bestrahlung des Halses regelmäßig überwacht werden. Hier reicht die Rhythmusangabe von „bei jeder Nachsorge“ bis zu „1, 2 und 5 Jahre nach der Therapie“.
- Elektrokardiogramm oder auch Ultraschalluntersuchung des Herzens zur Ermittlung von möglichen Herzproblemen. In manchen Quellen nach 1, 2 und 5 Jahren empfohlen.
- Lungenfunktionstest wird an vielen Stellen 1 Jahr nach Abschluss der Therapie empfohlen.
Im Nachsorgepaket enthalten, sollten also folgende Untersuchungen sein: Arztgespräch, körperliche Untersuchung und Blutbild. Diese Untersuchungen können erweitert werden um Thoraxröntgen und Ultraschalluntersuchungen des Halses, der Achselhöhlen oder des Bauchraumes. Ergänzend sollten regelmäßig Schilddrüse, Herz und Lunge untersucht werden, um Spätfolgen frühzeitig zu erkennen.
Warum diese Untersuchungen zur Nachsorge und keine anderen?
Intuitiv denken einige vielleicht, dass ihnen ein CT die größte Sicherheit bringen würde. Die Studienlage ist allerdings anders. Die Kombination von Arztgespräch und körperlicher Untersuchung hat die höchste Wahrscheinlichkeit für die Erkennung eines Rezidivs. An zweiter Stelle folgt die Röntgenuntersuchung des Thorax, wobei die Wahrscheinlichkeit durch diese Maßnahme ein Rezidiv zu entdecken nach drei Jahren stark abnimmt.
Für die Computertomographie ist die Studienlage nicht eindeutig, allerdings konnte bisher nicht der konkrete Nachweis für den Nutzen bzw. Nichtnutzen einer CT erbracht werden. Aufgrund der hohen Strahlenbelastung wird das CT daher nur zur Sicherung eines Rezidivverdachts empfohlen. Der Nutzen von Ultraschalluntersuchungen wurde bisher nicht untersucht. Aufgrund der mangelnden Strahlenbelastung und geringen Kosten dieser Untersuchung wird sie jedoch gern eingesetzt.
Die Blutuntersuchung spielt bei der Erkennung von Rezidiven eine nachgeordnete Rolle. Sie ist wichtiger für die Erkennung von therapiebedingten Folgeschäden, sollte daher also unbedingt Bestandteil der Nachsorge sein.
Geplant, ungeplant
Ich hoffe sehr, dass ich dem ein oder anderen mit dieser Auseinanderheddern der verschiedenen Informaitionsquellen helfen konnte. Alle Links findet ihr unten. Wer ergänzen möchte, weitere Quellen kennt oder Fragen hat, kann gern die Kommentarfunktion nutzen. Oder wer einfach nur sagen möchte, war hilfreich, der kann mir auch gern ein „Gefällt mir“ da lassen.
Gestern war übrigens die Überweisung für den Ultraschall im Briefkasten. Jetzt suche ich mir also einen anderen Arzt, der mein Sicherheitsnetz zu Ende webt. Im März habe ich dann wieder einen Termin bei meiner Ärztin und danach werde ich sehen, ob ich mein Sicherheitsnetz zukünftig in einem anderen Krankenhaus weben lassen werde.
Eure Izzie
[1] Meine Quellen:
- Leitlinie „Hodgkin Lymphom; Diagnostik, Therapie und Nachsorge von erwachsenen Patienten“ nach der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO): http://leitlinienprogramm-onkologie.de/uploads/tx_sbdownloader/S3_Hodgkin-OL-Langversion.pdf (ab Seite 127)
- Die Seite des Krebsinformationsdienstes zum Thema Nachsorge bei Hodgkin: https://www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/lymphome/morbus-hodgkin.php
- Auf den Seiten des Onko Internetportals gibt es ebenfalls einen groben Überblick: https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/morbus-hodgkin/nachsorge-und-rehabilitation.html
- Hinweise bei Onkodin: http://www.onkodin.de/e2/e28067/e28361/
- Onkopedia zum Thema Nachsorge: https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/hodgkin-lymphom/@@view/html/index.html
- An dieser Stelle hat eine Betroffene ihren Studiennachsorgeplan geteilt: https://forum.hodgkin-info.de/viewtopic.php?t=4428
[2] Das Beitragsbild “Fischernetze” ist ein Foto von Will Heidelbach. Lizenz: CC BY-SA (Bild wurde beschnitten und bearbeitet)